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4. BANN UND BESCHWÖRUNG, VOLKSFRÖMMIGKEIT

 
Im Umgang mit der garstigen Natur und ihren Kräften hat der Älpler Bräuche und Rituale entwickelt, die ihm einen magischen Schutz gewähren. So hat er mit dem Betruf einen Ringwall um seine Alp gelegt, um sein Vieh, die Hütte, die Weiden und seine Vorräte zu schützen. Seine Frömmigkeit gibt ihm Halt. Sein Beten und Bitten ist ihm Stütze. Fern von Kirche und Priester ist er sich und seinem Kreis selber der Geistliche, der Bote zum Schöpfer. 

In der Einsamkeit werden uns unsere dunklen Seiten eher bewußt, lassen sich die Abgründe des Ichs tiefer erkennen. Vielleicht nehmen sie aber auch dort überhand. Rufen nach Einhalt, Sicherheit und Geborgenheit, nicht zuletzt, weil Zärtlichkeit in Wildnis und Alphütte nicht erhältlich sind. TLC? Was helfen hier Tabus?

 

Abrahm - Schaman


13.I.02, Holz, Blech und Gamskrucken, H41cm, B63cm

Diese Votivgabe hat einst Dankbarkeit für ein geheiltes Augenleiden bezeugt. Wallfahrtskirchen strotzen davon.
Den Blick wieder gefunden zu haben, ist von hohem Werte. Das Auge bannt aber auch böse Blicke.
Die intime runde Nische und die Ausstrahlung der Gamskrucken bieten Hort für Kraft.
Magische Sprüche sind nahe den Gebeten. Von Merseburg bis Horrorskop.   

Die Abrahmkelle ist von geschickter Hand geschnitzt, mit kräftigem Griff über die Milchoberfläche geführt worden.
Jetzt wird sie zur Fratze, bedrängt selbst die Katze.

Ueli Dubs

 

Der Rosenkranz, der in den Kuhfladen fiel

Grossvater ging im Sommer auf die Alp; diese war seine Leidenschaft, genauso wie beim Vater, der in seiner Jugend auch Sommer für Sommer auf der Alp verbracht hatte. Nach dem Alpaufzug wurde jedes Jahr die Alp von einem Kapuziner gesegnet, um für den Sommer alle bösen Geister fernzuhalten, denn auf der Alp tummelten sich viele, viele arme Seelen, die unerlöst waren. Der Kapuziner, ein Verwandter der Familie, kam jeweils mit zwei neuen Rosenkränzen, von denen einer zum Beten und der andere zum Schutz des Viehs war. Über der Stalltür wurde der eine aufgehängt, und uns wurde gesagt, das halte das Vieh zusammen, denn das Vieh werde auf diese Weise beim Weiden gleichsam selbst zu einem Rosenkranz und würde sich nicht verlaufen.

Auf der Alp hinter Melchsee-Frutt konnte es schauderbare Nebel geben; Schwaden, die wie aus der Hölle kamen, aus dem dampfenden Feuer. So dachten wir uns das und für uns war es nicht bloss ein Bild. So war es. In solchen Momenten gab es nur eins: Rosenkranz beten und etwas Weihwasser aus dem Fenster giessen. Bei diesen sturmdicken Nebeln verlief sich gar das Vieh. Ja, da gab es Nebel, bei denen man keinen Meter weit mehr sah - auch die Kühe nicht. Einmal verlief sich die Herde schauderlich, und für den verantwortlichen Älpler bedeutete das Todesangst. Er musste wie Jesus, nicht nur einem Stück, sondern vielen nachlaufen und sie suchen.

Einmal nur - gottlob - gab es eine solche chaotische Verwirrung. Es war nicht zu glauben. Die bösen Geister hatten gesiegt. Aber wie konnte es so weit kommen. Man hatte doch den Kapuziner im Frühjahr gehabt und den Rosenkranz über der Stalltür aufgehängt. Doch beim Nachsehen erschrak der verantwortliche Hüter fast zu Tode. Der Rosenkranz war zu Boden und in den Kuhdreck gefallen. Er konnte daher die Kühe gar nicht mehr zusammenhalten.

Der Rosenkranz wurde gewaschen und wieder aufgehängt. Am anderen Tag schien die Sonne und das Vieh war eng zusammen und ganz zufrieden auf der Alpweide. Selbst der Hund hatte nichts zu tun und lag im Gras an der Sonne.

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Al Imfeld

 

" Auf meine Grossmutter"

1.VIII.99, Holz, Eisen und Federn, H19cm, B61cm

Eines meiner Lieblingssonette, das ich gerne in allen passenden und unpassenden Lagen auswendig zu zitieren weiss:

  1. „Wie floss von deiner Lippe milde Güte!
    Bei deinem Beten senkte sich der Glaube
    Einst friedenspendend, eine weisse Taube,
    Hernieder auf mein kindliches Gemüte.

  2. Was damals sanft in meinem Busen glühte,
    Ward längst dem Geier der Vernunft zum Raube,
    Und hingewelkt ist mir m Wüstenstaube
    Des Lebens jede frische Jugendblüte.

  3. Einst liebtest du mich, o lass dich bewegen!
    Gib einmal noch in stiller Abendstunde
    Mir des Gebetes frommen Kindersegen!

  4. Doch, ach! zu tief ist meines Herzens Wunde;
    Das schöne Land der Kindheit zu entlegen,
    Und Du – liegst längst verscharrt im kühlen Grunde!“

Wer seine Grossmütter gut gekannt hat – wie es mir vergönnt war – der weiss, wovon Heinrich Leuthold, der verkannte Schweizer Lyriker und Zeitgenosse Gottfried Kellers, spricht.

Abendgebete, bedingungslose Liebe und Güte, gelebte Frömmigkeit.
Geborgenheit und der Blick in eine Welt reifer Erfahrung, vielseitiger Interessen.
Bis ins Alter erhaltene und sprühende Vitalität …

Ueli Dubs

 

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